Ein Foto genügt

Wir richten uns mit unserer mobilen Präsentation auf der Sozialfläche in der Fertigung im Schaltwerk Mittelspannung ein. In den Schaltwerken Hochspannung und Mittelspannung werden Schalter für Stromnetze produziert, für Kraft- und Umspannwerke. Am meisten beeindruckt hat mich der Gedanke, dass diese Schalter Jahre oder Jahrzehnte lang nicht geschaltet werden, dann aber, wenn sie gebraucht werden, funktionieren müssen wie am ersten Tag. Auf der Sozialfläche stehen die Waschbecken, die Schließfächer, die Stühle und die Kaffeeautomaten. Einige Kolleginnen loben den Paravent, den wir zur Präsentation benutzen, weil sie sich in seinem Schutz ungestört umziehen können.

In der Frühstückspause lerne ich Milena Boskoviç kennen. Sie hat ein kleines Messer dabei und verteilt einen Apfel an zwei Leiharbeiterinnen und an mich.
Ein Bild von ihr an ihrem Arbeitsplatz soll Milenas Beitrag zur Sammlung sein. Es sei aber nicht nötig, das Bild zu malen, sagt sie, ein Foto würde genügen. Sie könne sich vorstellen, dass man sehr lange an einem Gemälde male.


Weißwein und Toffifee, Kaffee und Quittenbrot

An einem Sonntagnachmittag bei strömendem Regen kommt Margarete Grotemeier uns im Atelier besuchen. Es gibt Weißwein und Toffifee. Sie erzählt uns, wie sie als junge Frau in einem Buchladen in London gearbeitet hat. Heute ist Margarete Grotemeier Sekretärin der Werkleitung im Schaltwerk Mittelspannung.

„Herr Marczinske“, sagt Frau Grotemeier ein andermal, „den kenn' ich, der war ein Kollege.“ Außerdem sei er ein Nachbar von ihr und wohne zwei Häuser weiter. Früher habe er immer einen Ledermantel angehabt. „Chic“, sagt Frau Grotemeier. Dann sagt sie noch: „Gut, dass Sie vorbeikommen. Sie wissen doch, wir hatten da eine Skulptur.“ Sie zeigt auf die Stelle, an der eine Skulptur auf einem Sockel gestanden hat. Der Kollege, dem sie gehört habe, sei in Rente gegangen und der leere Sockel übrig geblieben. „Machen Sie auch Skulptur?“

Horst Marczinske war Ingenieur im Kabelwerk. Als Thomas ihn besucht, stehen die Fotos und Unterlagen, die Herr Marczinske zusammengesucht hat, schon bereit, um im geeigneten Moment auf den Tisch gelegt zu werden. Schaubilder von Mutterkabelwerken und Tochterkabelwerken, ein Luftbild der Stadt Meissen, eine Darstellung der Prozesse in der Kunststofffertigung. Eine Serie von Fotografien, die elegante Werbegeschenke des Kabelwerkes aus den 20er Jahren zeigen: Uhren und Aschenbecher mit einem Dekor aus Kabelquerschnitten.
„Ich gebe Ihnen das alles unter einer Bedingung,“ sagt Herr Marczinske: „dass Sie es mir nicht wiedergeben.“
Als alles mit Sorgfalt betrachtet und besprochen ist, werden Kaffee und Quittenbrot gereicht.